Der Mensch ist ein Chamäleon
Text: Frank Wedekind
Melodie nach: Zu Strassburg an der langen Brück
Kann auch zum Hobellied gesungen werden

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(1) Als ich noch in der Wiege lag,
Wie war ich da so lieb!
Nur Freuden brachte jeder Tag,
So lang ein Kind ich blieb.
Wie anders hielt man bald den Sohn,
Den fröhlichen, im Zaum! -
Der Mensch ist ein Chamäleon;
Die Kindheit war ein Traum.

(2) Die Jahre fliehen pfeilgeschwind,
Wie uns der Dichter lehrt.
Ein Flegel heißt das liebe Kind,
Das alle Welt empört.
Doch bald küßt mich die Liebe schon
Auf meinen ersten Flaum. -
Der Mensch ist ein Chamäleon;
Die Unschuld war ein Traum.

(3) An treue Liebe glaubt' ich noch;
Wie war mein Herz gerührt!
Allein die Freundschaft kriegt ein Loch
Mein Gegner triumphiert.
Sie weist mich ab mit kaltem Hohn;
Noch faß' ich selbst es kaum. -
Das Weib ist ein Chamäleon;
Die Liebe war ein Traum.

(4) Zum Mann bin ich herangereift,
Viel hin und her gezupft,
Bis ich gehörig eingeseift,
Gebürstet und gerupft.
Die Ideale sind entflohen;
Dahin sind Lust und Schaum. -
Der Mensch ist ein Chamäleon;
Mein Glück war nur ein Traum.
 
(5) Das Alter faßt mich grausig an
Mit Not und langer Weil'.
O, wär' schon alles abgetan,
Und hätt' ich erst mein Teil!
Dann rief ich laut vor Gottes Thron
Im lichten Himmelsraum:
Der Mensch ist ein Chamäleon; -
Das Leben ist ein Traum!

 

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